Barockbecher mit aufwendiger Gravur, Silber, teilweise vergoldet

Objektnummer #272

Augsburg 1692/7

Michael Hueter

Beschauzeichen: ein „Pyr“ für Augsburg, Periode 1692/7 (s. Seling 2007 Nr. 1050ff)

Meisterzeichen: „M:H“ für Michael Hueter (s. Seling 2007 Nr. 1803b)

Höhe: 8,5 cm; Gewicht: 97 g.

Bilder

Detaillierte Informationen

Barockbecher mit aufwendiger Gravur, Silber, teilweise vergoldet

Dieser Barockbecher, Silber, teilvergoldet hat eine konische Form, mit profiliertem Lippenrand. Zwischen zwei vergoldeten Ringen oben und unten entwickelt sich ein aufwendiges, reich graviertes Dekor. Hauptthema sind die drei fein-gravierten Kartuschen, die Architektur- bzw. Flusslandschaften zeigen: Die erste stellt eine Stadt an einem Fluss und im Vordergrund einen Fischer beim Angeln dar. Die zweite zeigt einen imposanten Turm mit Flagge oben und links im Wasser ein Dreimastschiff. Schließlich stellt die dritte Kartusche einen Turm mit Tor neben einer Flusslandschaft dar. Interessanterweise ist der Becher auch zwischen den Kartuschen sehr aufwendig mit kunstvollen Akanthusblättern graviert und weiterhin mit drei gravierten, unterschiedlichen Vögeln mit ausgebreiteten Schwingen verziert. Die Marken und der Tremolierstich befinden sich am Boden.

Landschaftsszenen im Silber  

Die Besonderheit des Bechers liegt nicht nur in der Bearbeitungsweise und der schön erhaltenen Vergoldung, sondern auch und vor allem bei den drei Kartuschen mit Landschaften umgeben mit kunstvollen Gravuren.

Der Becher veranschaulicht somit das zunehmende Interesse an der Landschaftsmalerei im 17. Jahrhundert. Denn während Landschaftsmalerei vom Mittelalter bis zur Renaissance eine Verbindung zu religiösen und mythologischen Themen suchte, nimmt die Gattung der Landschaft im 17. Jahrhundert eine neue Dimension ein: Sie dokumentiert die Natur. So kann man es beispielsweise bei niederländischen Malern beobachten. Hercules Seghers (c. 1589-c. 1638), ein Pionier der Graphikkunst während des Goldenen Zeitalters der Niederlande – der von Rembrandt (1606-1669) sehr geschätzt und gesammelt wurde – war in diesem Sinne ein wegweisender Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts. Andere wegweisende Maler dieser Gattung waren Albrecht Altdorfer (c. 1480-1538) und Joachim Patinir (c. 1480-1524).

Französische Landschaftsmaler wie Nicolas Poussin (1594-1665) haben Landschaften im Rahmen der Gattungshierarchie hergestellt, so wie sie von der französischen Académie aufgestellt wurde. Insbesondere Poussin hat seinen Landschaften poetische und heroische Aspekte hinzugefügt. Trotz der Gattungshierarchie hat sich die Landschaftsmalerei im Laufe des 17. Jahrhunderts zu einer unabhängigen, alleinstehenden Gattung entwickelt, die nicht mehr auf historische Themen fußte.

Die Silberschmiede haben sich der künstlerischen Entwicklung der Zeitgenossen angepasst. Dekorative Elemente und neue ikonografische Quellen und Vorlagen folgten somit anderen künstlerischen Gattungen. In diesem Kontext kann man beobachten, dass viele Trinkgefäße und andere Objekte des 17. Jahrhunderts, mit Architekturlandschaften und sonstigen Landschaften verziert wurden.

Meister

Michael Hueter war von 1684 bis 1717 in Augsburg als Silberschmied aktiv. Der Meister hat sowohl Gebrauchssilber als auch Repräsentative Objekte produziert. Typisch für die zweite Kategorie von Objekten ist eine Lavabogarnitur des Meisters ausgestellt im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (s. Klaus Pechstein et. al: Schätze Deutscher Goldschmiedekunst von 1500 bis 1920 aus dem Germanischen Nationalmuseum, Berlin 1992, S. 338, Nr. 260. Abb. ebd. S. 339).