SELTENE SCHRAUBFLASCHE AUS SCHEMNITZ, SILBER, TEILVERGOLDET

Objektnummer : 425

Schemnitz (Baňskà Štiavnica/Selmecbánya) in Siebenbürgen, um 1690

Beschauzeichen: zwei gekreuzte Hämmer, darüber S im Kreis für Schemnitz (R3, Nr. 9365; Köszeghy 1936, Nr. 1934)

Meister: TK ligiert im geschweiften Schild für Tobias Knoth (R3, Nr. 9370; Köszeghy 1936, Nr. 1960)

Silber, teilvergoldet, gegossen, getrieben, graviert, punziert, ziseliert

Höhe: 14,2 cm (5 5/8 in.); Gewicht: 259 g

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Detaillierte Informationen

Detaillierte Beschreibung

Seltene silberne Schraubflasche aus Siebenbürgen, um 1690

Die fein gearbeitete, mit floralem Dekor überzogene Schraubflasche, erhebt sich über einer glatten, sechspassig geformten Bodenplatte. Die Wandung des Gefäßes wölbt sich mittig leicht nach außen, und verjüngt sich zum Deckelrand hin zu einer ovalen Form. Sie wird durch eine gravierte Doppellinie in sechs langovale Felder gegliedert, die je zwei übereinander angeordnete, unterschiedliche Blüten beherbergt. Darunter sind kostbare Blumen wie Narzissen und Tulpen zu finden. Die Zwickelfelder unterhalb des Deckels, sowie die Zwischenfelder oberhalb des Gefäßbodens, sind mit stilisierten Früchten und Blättern verziert. Der untere Bereich des Deckels ist zur Erhöhung der Stabilität nach oben und unten hin abgestuft und mehrfach profiliert. Er wurde zur besseren Handhabung, wie allgemein üblich, glatt belassen. Die darüberliegende gewölbte und eingezogene Fläche des Deckels umzieht ein bei Schraubflaschen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beliebter Blattkranzfries. Als beweglicher Tragegriff dient ein aus zwei stilisierten Voluten gebildeter, durch ein Scharnier mit dem Deckel verbundener Henkel. Von herausragender Qualität ist der getriebene, punzierte und ziselierte Blütedekor, dessen Plastizität meisterhaft durch verschiedene Goldschmiedetechniken und die original erhaltene Teilvergoldung hervorgehoben wird.

 Der besondere Entstehungsort der Schraubflasche

Schemitz galt aufgrund seiner reichen Silber- und Golderzlager als Eldorado des Mittelalters. Als eine der bedeutendsten mittelalterlichen Städte Europas und drittgrößte Stadt des Königreiches Ungarn, zog sie neben Goldschmieden und Freimaurern auch Wissenschaftler in ihren Bann. So wurde hier im Bergbau zur Förderung der Produktivität erstmals Schießpulver eingesetzt.

Besonderheit der silbernen Schraubflaschen

Die meisten heute erhaltenen Schraubflaschen des 17. Jahrhunderts bestehen aus Zinn, Steingut, Glas mit Silbermontierung, jedoch selten aus reinem Silber. So werden in Carl Hernmarcks „Die Kunst der Europäischen Gold- und Silberschmiede 14501830, München 1978“ keine Schraubflaschen als Aufbewahrungsgefäße beschrieben. Nur wenige Sammlungen, zum Beispiel das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, sind im Besitz silberner Schraubflaschen. Diese haben sich nicht in größerem Umfang erhalten, da sie wohl aufgrund der Sensibilität des Gewindes am Deckel häufig Nutzungserscheinungen zeigten und eingeschmolzen werden mussten. Die bauchigen, reich verzierten Schraubflaschen dienten nicht als Feldflaschen für Getränke, sondern zur Aufbewahrung besonders kostbarer Gewürze wie z. B. Ingwer.

Meister Tobias Knoht

Von dem zunächst als „Meister TK“ bekannten Tobias Knoht sind laut Rosenberg fünf weitere Werke bekannt, die in Ausstellungen in Wien und Budapest zu sehen waren: Eine höhere Schraubflasche (17,5 cm) mit ornamentierten Buckeln und ein teilvergoldeter Becher mit graviertem Wappen, befanden sich laut R3, S. 591 in der Katholischen Kirche in Schemnitz. Ein vergoldeter Buckelpokal mit Inschrift um 1690 wurde im National-Museum in Budapest aufbewahrt. Alle drei Silberobjekte waren gemeinsam mit einem weißsilbernen Löffel 1884 in Budapest ausgestellt, was auf die hohe Qualität der Goldschmiedeobjekte des Meisters Tobias Knoht schließen lässt.

Provenienz

Die Schraubflasche war ursprünglich im Besitz von Hallam Tennyson, dem II. Baron Tennyson (1852–1928), dem Sohn des Poeten Alfred I. Baron von Tennyson. Sie war lange in Familienbesitz und gelangte 1974 in den Kunsthandel.

Literatur

Heller, István: Ungarische und siebenbürgische Goldschmiedearbeiten vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, München 2000

Klusch, Horst: Siebenbürgische Goldschmiedekunst, Bukarest 1988, Nr. 322 (zum Meisterzeichen)

Koeppe, Wolfram: “Hungarian Silver.” In: Heilbrunn Timeline of Art History. New York: The Metropolitan Museum of Art, 2000 (siehe: http://www.metmuseum.org/toah/hd/hung/hd_hung.htm (February 2016) zuletzt aufgerufen am 22.12.2021)

Köszeghy, Elemér: Merkzeichen der Goldschmiede Ungarns. Vom Mittelalter bis 1867, Budapest 1936, Nr. 1934 (zum Beschauzeichen), Nr. 1960 (zum Meisterzeichen)

Rosenberg Marc: Der Goldschmiede Merkzeichen, Band 4, Ausland und Byzanz, Frankfurt/Main 1928, S. 591, Nr. 9370 (siehe: https//digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/rosenberg1928bd4/0623?ft / zuletzt aufgerufen am 11.12.2021)

Roth, Victor: Kunstdenkmäler aus den sächsischen Kirchen Siebenbürgens I., Goldschmiedearbeiten, Hermannstadt 1922

Toranova, Eva: Goldschmiedekunst in der Slowakei, Hanau 1982, S. 225