Detaillierte Informationen
Die ovale Dose mit sechs Seiten; Rand mit Silber Montierung, öffnet sich auf einer Seite. Der Boden der Dose ist hinter schnitten, um eine natürliche Wölbung zu erzeugen, auf der die Dose anmutig sitzt. Das Äußere wurde mit Emaille verziert, auf der Motive aus dem Alten Testament jede Seite der Dose schmücken.Das Silber Montierung liegt über dem geschwungenen Boden der Dose und umreißt die bemalte Emailszene auf der Außenfläche des Deckels. Dieser silberne Rand wird durch den leichten Grat hervorgehoben, der die Form und Gestalt der Dose umreißt. Während die Vorderseite des Randes mit wellenförmigen Formen verziert ist. Diese Formen zentrieren sich an der Stelle, die zum Öffnen des Deckels der Dose verwendet wird. Dabei wirkt die Verzierung als dekoratives Element und erleichtert gleichzeitig die Zugänglichkeit für den Gebrauch. Die Mehrfachnutzung/Interpretation ist ein wesentliches Element in der kompositorischen Erzählung der Box.
Eine zentral bedeutsame Szene auf der Außenseite des Deckels ist die von Bathseba beim Baden. (2Sam 11:2) „David erhob sich von seinem Bett. Und ging auf das Dach des Hauses des Königs, und vom Dach aus sah er eine Frau, die sich wusch, und die Frau war sehr schön anzusehen.“ Davids Ehebruch und Batsebas Baden sind überzeugende Erzählungen in der gesamten Kunstgeschichte und Ikonographie. Das Argument, Bathseba sei nackt und damit an der Verführung des Königs schuld, ist ein zentrales Konzept bei der Interpretation der Erzählung. Im Gegensatz zu mittelalterlichen Leuchtbüchern wie dem von Jean Bourdichon zeigt die vorliegende Darstellung von Bathseba unbekleidet, aber mit einem Einband, wie sie sich die Füße wäscht. Ein erster Blick auf die Dose zeigt die Szene als schöne und dekorative Zurschaustellung der Weiblichkeit in einem prächtigen Innenhof. David, in Blau und Gelb gekleidet, der vom Balkon in die obere linke Ecke der Komposition blickt, verleiht der Komposition eine zusätzliche Bedeutung. Dadurch wird die Rolle der Frau in der Gesellschaft und darüber hinaus ihre Interpretation in der Kunstgeschichte in Frage gestellt.
Bemerkenswerterweise liegt die zweite Szene auf der Innenfläche des Deckels. Dargestellt ist hier die Geschichte von Susanna beim Baden. Wie das Alte Testament erzählt, ging die schöne Susanna eines heißen Tages in ihren Garten, um ein Bad zu nehmen. Dort wurde sie von zwei Männern heimlich beobachtet. Sie warteten auf den Augenblick, wo Susanna ihre Mägde wegschicken würde, um sie zu verführen. Susanna wehrte sich jedoch tugendhaft gegen ihre Annäherung und ging so als Heldin der Keuschheit und Frömmigkeit in die Annalen der Geschichte und der Kunst ein. Susanna wird verhaftet, weil sie angeblich die Männer mit ihrer fehlenden Kleidung verführt hat, doch beide Männer erinnern sich fälschlicherweise anders an den Baum, unter dem sie Susanna getroffen haben, und rechtfertigen damit ihre Unschuld. Die Dose zeigt die Szene auf dem Höhepunkt des Geschehens, Susanna, kaum bekleidet, streckt ihren Arm nach den beiden Männern aus und stößt sie weg, unter einem grünen Baum. Der Akt wird in der Kunst oft als Darstellung der Schönheit der weiblichen Form, aber auch als Symbol für die Lust des Mannes verwendet. Alternativ zu der vorherigen Erzählung auf der Schnupftabakdose zeigt diese Szene die Frau als Heldin, wodurch sie, obwohl sie nackt ist, einen gewissen Einfluss auf die Männer erlangt. Die Dynamik der Szene, die sich in der übertriebenen Bewegung in der Kleidung der Männer zeigt, die dem ausgestreckten Arm von Susanna gegenübersteht, erzeugt im Vergleich zur vorherigen Szene eine belebte Erzählung innerhalb Narrativ der Dose.
Schließlich sind Judith, eine Ikone des weiblichen Zorns, und Holofernes auf der Unterseite der Dose abgebildet. Die Erzählung legt nahe, dass der assyrische König Nebukadnezar General Holofernes aussendet, um die jüdische Stadt Bethulia zu belagern. Judith will Holofernes verführen und ihn dann selbst töten. Dadurch würde sie eine entscheidende Schlacht für die Israeliten gewinnen. Die Figur der Judith vereint, ähnlich wie die vorangegangenen Erzählungen, neben der Stärke auch die seelischen, „weiblichen“ Tugenden. Dies wird zu einem zentralen Thema für Künstler, die sich mit Machtdynamiken und Geschlechteridentität befassen. Vor allem in der Möglichkeit, Judith als Femme Forte oder gar als Femme Fetale darzustellen. Die Hinzufügung dieser Szene auf der Unterseite der Dose neben den beiden vorherigen schafft eine sich entwickelnde Dynamik in der historischen Erzählung der Darstellung von Frauen in der Kunst.
Die Außenseiten der Schnupftabakdose zeigen an den Seiten fünf Frauen, die typische Instrumente des Alten Testaments spielen. Die kürzere, ein Widder- oder Ziegenhorn, ein Tamburin, Klipper, Glocken und eine Leier, ähnlich einer Harfe, aber kleiner und mit weniger Saiten. Diese Darstellung einer musikalischen Szene schafft eine Atmosphäre von passiver und doch dekorativer Bedeutung. Die Emailmalereien als bloße Verzierung zu tarnen, die passive Rolle der Frau als Schönheitsfigur zu zeigen, an die wir uns historisch gewöhnt haben. Die Rückseite der emaillierten Seiten zeigt zwei Wachen, die einen in Blau und Gelb gekleideten Mann von der Szene wegführen. Der zentrale Mann in jeder der Hauptszenen ist ebenfalls in Blau und Gelb gekleidet, was auf eine Verbindung hindeutet.
Kompositorisch ist die Schnupftabakdose in ihrer Farbgebung einheitlich und suggeriert damit ihre weiterführende Verbindung durch die drei Erzählungen, während sie auch ästhetisch ansprechend ist. Während die rosafarbenen Motive und die florale Ornamentik auf die Verwendung der Dose für eine Frau hindeuten und auch die potenzielle Bedeutung betonen.
Luxuswaren aus Emaille
Mit weißer Emaille hergestellte Toilettengarnituren und/oder Dosen werden als „Email de Saxe“ bezeichnet. Ihr Hauptmerkmal sind die farbenfrohen Malereien auf der weißen Emailoberfläche. Diese Technik wurde hauptsächlich in Dresden von Dinglinger, in Berlin von der Werkstatt von Fromery und in Augsburg verwendet.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kamen in Deutschland zunehmend französische Tabakdosen (Tabatières) aus Gold und Emaille oder anderen edlen Materialien in Mode. Diese dienten meist der Aufbewahrung von Schnupftabak, aber auch von Pulver, Pillen und Süßigkeiten.
Der Machtantritt Friedrichs des Großen (1712-86) führte zu einer Beschränkung der Einfuhr solcher „Kisten“ aus Frankreich. Ziel war es, die lokale Produktion solcher Waren zu fördern. Friedrich war ein großer Sammler und Verwender solcher Schnupftabakdosen, ebenso wie Heinrich von Brühl (1700-63), der Leiter der Meissener Porzellanmanufaktur.
Die Herstellung solcher Dosen mit luxuriösen Blumenmotiven wurde zu einer beliebten und gängigen Praxis in der gesamten europäischen Oberschicht. Die Einbeziehung detaillierter Szenen aus der Alten Testament in die vorliegende Dose verleiht ihr ein gewisses Maß an Bedeutung und Faszination, die über einfache dekorative Blumen hinausgeht. Großartige Beispiele vergleichbarer Arbeiten mit ähnlichen Techniken aus dem gleichen Zeitraum finden Sie in der Sammlung des MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst: https://sammlung.mak.at/sammlung_online?&q=email%20dose .
Literatur:
Frey, Angelica, „How Judith Beheading Holofernes Became Art History’s Favouruite Icon of Female Rage.“ 4. April 2019. URL: https://www.artsy.net/article/artsy-editorial-judith-beheading-holofernes-art- history-favorite-icon-female-rage (14.11.2022)
Honour, Hugh und Fleming, John, Lexikon Antiquitäten und Kunsthandwerk, Beck-Prestel: München, 1984.
Koeppe, W., Le Corbeiller, Cl., Rieder, W., et al. (Hrsg.), The Robert Lehman Collection, XV: Decorative Arts, The Metropolitan Museum New York/Princeton University Presse: New York, 2012.
Rupp, Herbert, Steiskal-Paur, Richard, Art Cult Center – Tabakmuseum (Hrsg.), Snuff Boxes oder Von der Sehnsucht nach lüsterner Nase, Katalog zur Sonderausstellung des Österreichischen Tabakmuseums vom 30. November 1990 bis 31. Jänner 1991, Wien: Austria Tabakwerke Aktiengesellschaft, 1990.
Schäfer-Bossert, Stefanie, „Die Repräsentation von Frauen in religiöser Kunst und Bildsprache, Diskontinuitäten in „weiblichen Tugenden“. Sp. 137-156 von Geschlecht im Wandel.
Steingräber, Erich, ‚Email‘ In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. V. (1959), Sp. 1–65; in: RDK Labor, URL: http://www.rdklabor.de/w/?oldid=93187 (14.11.2022)