Objektnummer : 276

Beschauzeichen: Köln 1682 – 90 (siehe Clasen, Nr. 14; Scheffler, Nr. 588; R3 1923, Nr. 2699)

Meisterzeichen: „I.H“ im Queroval für Jacobus Hültz, (siehe Clasen, Nr. 135; Scheffler, Nr. 1597)

Silber, getrieben, graviert, punziert

Höhe: 8 cm, Gewicht: 110 gr.

Marken und Tremolierstrich am Fuß des Bechers

Bilder

Detaillierte Informationen

Detaillierte Informationen

Der qualitätvolle, frühe Silberbecher besticht durch seine elegante schlanke Form und reiche Gravierung: Drei hochovale Kartuschen mit weiblichen Figuren, deren Darstellungen zum Nachdenken anregen, zieren dessen glattpolierte Wandung. Sie sind durch reiche Fruchtgebinde miteinander verbunden. Aufwendig graviertes Bandelwerk mit eingerollten Blattranken und Blüten umspielt den Lippenrand. Den mehrfach profilierten Fuß umzieht ein umlaufender Rauten-Fries.

Doch was ist auf den im Bandelwerk verankerten Kartuschen dargestellt? Eine der weiblichen Figuren hält eine Waage in der rechten Hand und ein erhobenes Schwert in der Linken: Beides sind Attribute der Justitia. Auch wenn die betonte Brust und das gegürtete in Stoff-Fetzen endende Obergewand der Personifikation Rätsel aufwirft?!

Die zweite weibliche Gestalt hält ein abgeschlagenes männliches Haupt mit längeren Haaren in der Rechten und ein erhobenes Schwert in der Linken. Ihre Brüste sind entblößt, ein Schleier umspielt ihren Rücken: Die Ikonographie weist eindeutig auf Judith mit dem abgeschlagenen Haupt des Holofernes hin, deren dramatische Geschichte durch die abstehenden Haare des Holofernes und den fliegenden Schleier Judiths verdeutlicht wird: Die bewegte Darstellungsweise spiegelt deutlich die innere Unruhe der Dargestellten wider. „Judith“ mit dem Kopf des Holofernes ist u.a. aus dem Stammbuch der Familie Donauer (zwischen 1599 und 1608) sowie durch eine Radierung von Jost Amman (1568/1569) bekannt.

Die dritte weibliche Gestalt zeigt eine ältere Dame, die sich in einem Spiegel betrachtet, während ein Teufelchen auf ihrer Schulter sitzt. Im Hintergrund schlägt ein Pfau sein Rad, der Schleier der Dame flattert aufgeregt im Wind. Eine bekannte Radierung mit einer Dame und ebendiesen Attributen existiert von Jacques Callot (1592 – 1635), entstanden zwischen 1617 – 1620. Sie trägt die Beischrift „Superbia“: Die Personifikation des Hochmutes, der Eitelkeit von Stolz und Übermut gehört zu einer Serie der sieben Todsünden. Ein Thema das Georg Pencz in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts beschäftigt, als er Superbia mit Konvexspiegel, Pfauenflügeln und Pferd vor einem Baum darstellt. Heinrich Aldegrever (1502 – 1555 /1561) zeigt Superbia in seinem Kupferstich von 1552 mit einer entblößten Brust, erhobenem Schwert und Pfau, mit Kette, Papsthut und Löwen auf einem durchgehenden Pferd.

Alle drei der Kartuschen schließen nach unten hin mit einer Hopfendolde ab, einer eng mit Rausch verbundenen Pflanze. In der Barockzeit waren zum Nachdenken anregende Darstellungen, zweideutige Anspielungen und Denkspiele äußerst beliebt. Der durch seine Gravierungen herausragende Barockbecher ist ein exzellentes Beispiel eines solchen Gedankenspiels.

Meister

Jacobus Hültz lernte zwischen 1654 – 1662 bei Hermann Lycker das Goldschmiedehandwerk. Er

erhielt am 31.10.1674 das Kölner Bürgerrecht und wird 1677 als Amtsbruder und 1685/1719 als Mitverdienter genannt. Eines seiner bekanntesten Werke ist der Scherzpokal „Hansel im Keller“ von 1678/80 sowie ein Elfenbeinhumpen mit silbervergoldeter Montierung. Von Hültz haben sich zudem zwei Ziborien, eine Strahlenmonstranz, eine Weinkanne, ein Buchbeschlag und ein Gewürzgefäß sowie mehrere Becher erhalten. Ein Becher aus dem Jahre 1685 wird heute im Rheinischen Landesmuseum Bonn aufbewahrt. Der insbesondere in der Treibarbeit talentierte Goldschmied Jacobus Hültz war zwischen 1674 und 1719 als Goldschmied in Köln tätig und gehört zu den bedeutenden Kölner Goldschmiedemeistern.

Literatur:

Clasen, Carl Wilhelm: Rheinische Silbermarken. Die Marken und Werke der rheinischen Goldschiede, Rheinbach-Merzbach 1986, S. 2, Nr. 14 (Beschauzeichen Köln 1682 – 90) S. 39, Nr. 135 (Meisterzeichen Jakobus Hültz)

Scheffler, Wolfgang: Goldschiede Rheinland-Westfalens. Daten, Werke, Zeichen, 1. Bd. Aachen-Köln, Berlin/New York 1973, S. 369, Nr. 588 (Beschauzeichen Köln 1682/89), S. 554, Nr. 1597 (Meisterzeichen Jacobus Hülss)

Irmscher, Günther: Das Kölner Goldschmiedehandwerk 1550-1800, Eine Sozial- und Handwerksgeschichte, Bd. 1, Regensburg 2005, S. 402 (zum Werk von Jakobus Hültz)

Rosenberg, Marc: Der Goldschmiede Merkzeichen, Bd. 2, Deutschland D-M, 3. erweiterte Auflage, Frankfurt am Main 1923, S. 189, Nr. 2699 (Beschauzeichen Köln, 2. Hälfte 17. Jahrhundert)

Links:

https://bildsuche.digitale-sammlungen.de/index.html?c=viewer&bandnummer=bsb00081512&pimage=737&v=100&nav=&l=de (Judith aus: Donauer, Christoph: Stammbuch der Familie Donauer, Regensburg, 1599-1608, S. 699, Privatbesitz, Bayerische Staatsbibliothek München)

https://www.metmuseum.org/art/collection/search/399015

(Judith, from Celebrated Women of the Old Testament, 1568-69: Jost Amman (1539–1591) Radierung, Metropolitan Museum Of Art New York)

https://www.e-gs.ethz.ch/eMP/eMuseumPlus?service=direct/1/ResultDetailView/moduleContextFunctionBar.navigator.next&sp=10&sp=Scollection&sp=SfieldValue&sp=0&sp=0&sp=3&sp=SdetailView&sp=1&sp=Sdetail&sp=0&sp=F&sp=2

(Hochmut (Superbia), Blatt 1 der Folge “Die sieben Todsünden” Um 1617 – 1620

Callot, Jacques (1592 – 1635), Radierung

Graphische Sammlung ETH Zürich)

https://www.e-gs.ethz.ch/eMP/eMuseumPlus?service=direct/1/ResultListView/result.t1.collection_list.$TspTitleLink.link&sp=10&sp=Scollection&sp=SfieldValue&sp=0&sp=0&sp=3&sp=SdetailList&sp=0&sp=Sdetail&sp=0&sp=F&sp=T&sp=0

Hochmut (Superbia), Blatt 1 der Folge “Die sieben Todsünden” 1552

Aldegrever, Heinrich (1502 – 1555 / 1561), Kupferstich

Graphische Sammlung ETH Zürich

http://kk.haum-bs.de/?id=g-pencz-ab3-0092

Superbia, Stolz, 1. Hälfte 16. Jahrhundert

Pencz, Georg, Kupferstich

Herzog-Anton-Ulrich-Museum Braunschweig